In einer kurzen Video-Botschaft an das Kollegium hat unser Schulleiter am vergangenen Freitag gegen 08:10 Uhr verkündet, dass er ab der kommenden Bundesliga-Spielzeit bedauerlicherweise unserer Schule den Rücken zukehren muss und zu Red Bull wechseln wird, um dort künftig Jürgen Klopp, den „Head of Global Soccer“, bei seiner Arbeit zu unterstützen.
Etwas verwunderlich war die Verkündung dieser Nachricht schon, weil schließlich jeder weiß, dass das Herz unseres Schulleiters nur für Fortuna Düsseldorf schlägt und er für den Dosen-Drink-Konzern aus Österreich und sämtliche mit ihm verbundenen Aktivitäten nichts als Verachtung übrig hat.
1. Schulentwicklungstag 2024/25
Das war der Auftakt zu unserem ersten Schulentwicklungstag im Schuljahr 2024/25 – Verbreitung von Fake News mit Hilfe eines Deep-Fake-Videos zum Einstieg.
Was ist ein Schulentwicklungstag? Ein Schulentwicklungstag dient der Fortbildung der Lehrkräfte. An solch einem Tag bleiben die Schülerinnen und Schüler in der Regel zu Hause, nur die Lehrkräfte erscheinen in der Schule. Die thematische Schwerpunktsetzung und die Organisation obliegt i. d. R. der Schule. In der Vergangenheit waren zwei Schulentwicklungstage pro Schuljahr vorgesehen. Seit dem letzten Jahr dürfen drei durchgeführt werden.
Das Video zum Einstieg hat in erster Linie für Erheiterung auf Seiten der Teilnehmenden gesorgt. Abgeleitet von den Gesichtsausdrücken lässt sich die Wirkung irgendwo zwischen „Zauberei“ und „Schock“ einordnen. Gleichzeitig hat die fiktive Meldung den Fokus auf das Schwerpunktthema gerichtet: „Künstliche Intelligenz (KI) und Schule“.
Organisation
Der zurückliegende Schulentwicklungstag hat mit einem Vortrag zum Thema KI begonnen. Anschließend gab es drei für die Teilnehmenden frei zu wählende Workshopphasen, die wiederum unterschiedliche Teilaspekte des Themas „KI und Schule“ ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt haben. Am Ende des Tages sollte ein abschließendes Feedback erfolgen.
Die Workshopangebote waren vielfältig. Sie trugen Titel wie: „Erste Hilfe für die Nutzung eines Chatbots“, „Erstellung von (differenziertem) Unterrichtsmaterial mit Hilfe von KI“, „Bilderstellung“, „Unterrichtsplanung“, usw.
Meine persönliche Agenda sah am Freitag wie folgt aus:
- „Einblick in die VR“
- „KI und Schule – Fobizz Tools“
- „Freies Prompten“
Eindrücke
Meine subjektiven Eindrücke möchte ich kurz anhand dieser Workshops beschreiben:
Einblick in die virtuelle Realität (VR)
Unsere Schule besitzt seit geraumer Zeit einen Klassensatz an VR-Brillen. Konkret wurde das Modell Pico 4 angeschafft.
Da ich grundsätzlich das „Spielkind“ in mir zu bewahren versuche, hat mich meine Neugier selbstredend zur Teilnahme an diesem Workshop angestiftet. Obwohl VR-Brillen bereits seit mehreren Jahren verfügbar sind und sie mittlerweile zu einigermaßen erschwinglichen Preisen erworben werden können, hatte ich bis dato kaum Berührungspunkte mit dieser Hardware-Kategorie.
„Das erste Mal vergisst man nicht.“ Das gilt auch für VR. Nach einem kurzen Vortrag des Kollegen, der die VR-Brillen derzeit noch allein verwaltet, zu den Chancen und Risiken von VR, haben wir die Headsets und Hand-Controller zunächst konfiguriert. Anschließend durften wir frei die App-Bibliothek und den Store erkunden und nach Lust und Laune vorhandene Apps ausprobieren oder bei Bedarf sogar neue installieren.
Pädagogisch und didaktisch sinnvoll wirkte eine App auf mich, in der man mit virtuellen Avataren Gespräche in einer frei zu wählenden Fremdsprache führen kann. Man konnte bspw. wählen, ob das Gegenüber sich beschweren will („Angry Customer“). Die Dialoge werden mit einem generativen Sprachmodell in Echtzeit geführt und am Ende erhält man eine Auswertung, wie gut das Kundengespräch eingestuft wurde. Hier lässt sich eine Schnittstelle zwischen den Themenfeldern VR und KI erkennen.
Aber seien wir mal ehrlich: Alle waren an diesem Tag erst einmal auf Spaß aus. Deshalb hatte besonders eine Roller-Coaster-App, eine virtuelle Achterbahnfahrt, die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden auf sich gezogen. Obwohl wir lediglich auf unseren Stühlen sitzen geblieben sind, haben die Kolleginnen und Kollegen ganz unterschiedlich auf die ungewohnten Eindrücke reagiert. Purer Spaß bis ausgeprägte „Motion Sickness“ – alles war dabei.
Wir alle waren uns nach dem Workshop einig, dass VR, auch in Kombination mit KI, unseren Lernenden andere Zugänge und Erfahrungen ermöglichen kann. Wie diese in der Praxis tatsächlich aussehen sollen, das ist jetzt unsere Hausaufgabe.
Anmerken möchte ich noch, dass die kostenlosen Apps in der Regel qualitativ eher minderwertig oder stark in ihren Funktionen beschnitten sind. Solch eine Diskrepanz kann man zwar auch bzgl. der im App oder Play Store angebotenen Apps feststellen. Insbesondere im Pico-Store war dies aber noch umso stärker ausgeprägt.
KI und Schule – Fobizz Tools
Unsere Schule stellt allen Lehrkräften seit dem Beginn dieses Schuljahres testweise kostenlos die sogenannten „Fobizz Tools“ zur Verfügung. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Sammlung unterschiedlicher KI-gestützter Angebote – ähnlich einem Dashboard, von dem aus sich ein KI-Chat, ein Bildgenerator, vorgefertigte Prompts usw. ansteuern lassen.
Die Workshop-Leitenden haben mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl Möglichkeiten demonstriert, wie Lehrkräfte schon heute bei ihrer Arbeit spürbar entlastet werden können.
An dieser Stelle gab es weniger Neues für mich. Was jedoch gut ist: Die Fobizz Tools ermöglichen es uns nun, die Nutzung von KI im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die Lernenden auszuweiten. Natürlich war dies auch schon vorher möglich. Es war jedoch auch um einiges umständlicher.
Besonders verfangen hat bei mir der Impuls, dass wir im Kontext der Nutzung von KI unbedingt einen Bullshit-Zyklus vermeiden sollten:
Eine mögliche Lösung: Im Sinne eines modifizierten Think-Pair-Share-Modells könnte man den Lernenden zu Beginn einer neuen Unterrichtseinheit mitteilen, dass sie bspw. nach der Einzelarbeit und vor dem Austausch mit den anderen dialogisch eine KI konsultieren können, um mehr Sicherheit im Hinblick auf die eigenen Leistungen zu erlangen:
THINK - KI - PAIR - SHARE
Selbiges wäre auch nach der Pair- oder Share-Phase möglich:
THINK - PAIR - KI - SHARE
bzw.
THINK - PAIR - SHARE - KI
Die Hauptsache sei, dass den Lernenden zu Beginn transparent kommuniziert wird, dass sie an einem Punkt des Arbeitsprozesses „ungestraft“ auf KI zurückgreifen dürfen. So ließe sich, laut Hypothese, die Wahrscheinlichkeit, dass die Lernenden auch weiterhin selbstständig denken, erhöhen.
Diese Hypothese möchte ich künftig vermehrt in meiner eigenen Unterrichtspraxis auf ihre Gültigkeit hin überprüfen.
Freies Prompten
Als letzten Workshop habe ich mich für einen kollegialen Austausch entschieden. Kollektiv haben wir „ausprobiert“, welche Lösungen uns die KI für unsere bestehenden Arbeitsblätter und Klassenarbeiten anbietet. Es gab auch hier Licht und Schatten.
Besonders Antworten auf komplexere Fragen mit Verbindungen an das Handelsgesetzbuch wurden noch eher unbefriedigend oder schwammig beantwortet. Strukturierte Aufgaben, etwa solche aus dem Bereich der Buchführung, hat die KI mit ein wenig Einhilfe jedoch sicher und nachvollziehbar gelöst. Hier sehen wir besonders die Chance, dass die Lernenden künftig generative Sprachmodelle als Erweiterung, bspw. in Form eines persönlichen Tuturos, der sowohl fachkundig als auch unendlich geduldig ist, produktiv für ihren individuellen Lernprozess nutzen können. Eine besondere Herausforderung stellt hier jedoch noch das „Halluzinieren“ der KI dar. Lernende können, wenn sie noch nicht über das notwendige Wissen verfügen, nur schwer bis unmöglich „wahre“ und „falsche“ Aussagen voneinander unterscheiden.
Auch das ist eine Hausaufgabe für uns. Vermutlich eine auf noch nicht absehbare Zeit dauerhafte, die wir uns ständig auf „Wiedervorlage“ legen müssen.
Fazit
Unser erster Schulentwicklungstag war ein gelungener Auftakt, um das Thema KI in die Breite des Kollegiums zu tragen. Erste Impulse bereichern die eigene Arbeit bereits.
Besonders das Themenfeld VR birgt enormes Mobilisierungspotential. Gleichzeitig müssen wir noch ausloten, an welchen Stellen unseres Unterrichts der Einsatz pädagogisch und didaktisch sinnvoll ist.
Die Fobizz Tools können uns Lehrkräfte bei unserer Arbeit enorm unterstützen. Auch für die Lernenden bieten KI-gestützte Angebote Chancen zur Erweiterung der individuellen Lernprozesse.
Ein wie oben skizzierter Bullshit-Zyklus muss unbedingt vermieden werden. Im Grunde bedarf es hierfür einer ganz anderen Prüfungskultur, die bisher noch nicht flächendeckend in der Praxis gelebt wird und die rechtlich wasserdicht abgesichert ist. Ein durch KI erweiterter Think-Pair-Share-Ansatz kann hier ein erster Lösungsansatz sein.
Für die Zukunft wünsche ich mir als „Beamter“, dass KI mehr von meiner Verwaltungs- und Korrekturarbeit übernehmen soll. In diesem Bereich gab es wenig Angebote. Die Gestaltung, Durchführung und Reflexion von Unterricht sind nämlich die Dinge, weshalb ich mir meinen Beruf ausgesucht habe. Darum blicke ich am Ende – trotz der vielen positiven Impulse – auch mit etwas Wehmut in die Zukunft. Ich möchte manchmal einfach wieder mehr Zeit für die originären Aufgaben einer Lehrkraft haben und sie nicht an eine KI delegieren.
Danke!
Zum Abschluss noch ein paar Worte des Danks:
Danke an die drei Kollegen aus dem KI-Team, die uns die vielfältige Auseinandersetzung mit dem Thema KI durch ihre Arbeit besonders ermöglicht haben!
Danke an die Schulleitung, dass sie neuen Entwicklungen grundsätzlich offen gegenüber steht!
Danke nochmal besonders an den Kollegen, von dem ich mir eine VR-Brille zur weiteren Erprobung für zu Hause ausleihen durfte! 🙂
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