Wenn ich mir die schulische Praxis (abseits des #FediLZ) ansehe, so ist das „Einzelkämpfertum“ auch im Jahr 2023 unter Lehrkräften noch sehr weit verbreitet. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Lehrkräfte selbst: Unterschiedliche Stundenpläne, unterschiedliche Bildungsgänge, unterschiedliche Schulformen, unterschiedliche Fächer, unterschiedliche Belastungen, unterschiedliche Interessen … you name it!
Grundsätzlich bin ich von folgenden zwei Thesen überzeugt:
- Niederschwellige Kommunikationsmöglichkeiten können die Wahrscheinlichkeit von Kommunikationpraxis erhöhen.
- Kommunikation kann sich positiv auf soziale Beziehungen auswirken.
Mit diesem Beitrag möchte ich einen Gedanken skizzieren, wie die Vernetzung innerhalb eines Kollegiums mit Hilfe von Digitalität gestärkt werden könnte. (Spoiler: keine Raketenwissenschaft!)
Schritt 1: Gründung einer inoffiziellen (!) Instant-Messenger-Gruppe für informellen (!) Austausch
Die Nutzung von Instant-Messenger-Apps ist für die meisten Menschen selbstverständlich. Lehrkräfte sind natürlich auch Menschen, wenngleich in einigen Fällen – manchmal mehr, manchmal weniger – speziell. Davon nehme ich mich ausdrücklich nicht aus! Worauf ich hinaus will: Was für die meisten von uns im privaten Kontext vollkommen „normal“ ist, ist in Kollegien oft sehr fragmentiert oder erst gar nicht vorhanden.
Die App „Signal“ (subjektive Entscheidung, die hier nicht zur Debatte stehen soll) ermöglicht aus meiner Sicht niedrigschwellig, datensparsames und zeitgemäßes kommunizieren. Warum das Ganze nicht mit Kolleginnen und Kollegen nutzen?
Mögliche Anwendungsfelder
- Anregung zu Material- und Ressourcentausch: „Hat jemand schon einmal A unterrichtet und dazu Material erstellt?“, „Kennt jemand ein gutes Erklärvideo zum Thema B?“, „Darf ich mal in eine Prüfung schauen, die jemand für das Fach C erstellt hat?“, …
- Fundgrube: „Vermisst jemand seinen Schlüssel, seinen USB-Stick, sein Ladekabel, …?“
- Organisation von Fahrgemeinschaften: „Wer fährt morgen zur 1. Std. von X nach Y?“
- Raumtausch: „In unserem Raum funktioniert das Internet heute nicht. Kann jemand spontan mit uns tauschen?“
- Fachliche, didaktische, pädagogische, mediale Impulse: „Hier ein interessanter Link zum Werk der Autorin X!“, „Am 22.12.XX findet von 09:00-16:00 Uhr eine Fortbildung zum Thema Y in Kiel statt.“, …
- Glückwünsche/Danksagungen: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Z! <3″, Vielen Dank, dass durch euer Engagement in der AG-Digitales unsere Schule als ‚MINT-freundlich‘ ausgezeichnet wurde.“
- Verabredungen zum Essen: „Hat jemand heute Lust und Zeit in der Freistunde vor der Konferenz gemeinsam eine Pizza essen zu gehen?“
- Aufheiterung: [lustiges Meme einfügen]
- …
Aber, aber … !
„Solche Apps darf man in der Schule nicht nutzen!“
Das stimmt so pauschal nicht. Nachfolgend ein paar Grundsätze, wie eine kollegiale Instant-Messenger-Gruppe im größeren Stil (z. B. über Signal) legal betrieben werden könnte:
Grundsätze
- Die Nutzung der Messenger-App ist nicht verpflichtend, sondern es handelt sich um einen inoffiziellen Kommunikationskanal, von Kolleg:innen für Kolleg:innen. (keine Infrastruktur des Dienstherren)
- Der Gruppe können alle Menschen, die an der Schule tätig sind, jederzeit freiwillig beitreten.
- Die Gruppe können alle Menschen, die an der Schule tätig sind, jederzeit freiwillig verlassen.
- Die Gruppe stellt ein kollegiales Angebot für all diejenigen dar, die gern eine niedrigschwellige, datensparsame und zeitgemäße Kommunikationsmöglichkeit neben anderen offiziellen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen möchten, z. B. für den schnellen Austausch von Text- und Sprachnachrichten sowie anderer Mediendaten, die keine personenbezogenen Daten (!) Unbeteiligter enthalten.
Sinnvoll ist aus meiner Sicht, dass mit Beitrittsanfragen gearbeitet wird, die von Admins geprüft werden.
Schritt 2: Erstellung eines „Aushangs“ (analog und digital möglich)
Signal bietet die Möglichkeit „Gruppen-Links“ zu erzeugen, die sich auf allen erdenklichen Wegen analog und digital teilen lassen:
Meine Idee sieht einen analogen Aushang im analogen Lehrkräftezimmer vor. Bei der konkreten Gestaltung können sich kreative Menschen komplett austoben, sei es mit einem Textverarbeitungsdokument, einem Canva-Poster, usw. Mit Hilfe des „Signal-Gruppen-Links“ lassen sich z. B. mit Hilfe von t1p.de individuelle QR-Codes erzeugen und für den Aushang nutzen.
Mein Vorschlag für einen Text:
Liebe Kolleg:innen,
ich hoffe, dass es euch allen gut geht!
Die [$SCHULNAME]-Signal-Gruppe ist ein inoffizieller Kommunikationskanal, der allen Menschen, die an der [$SCHULNAME] tätig sind, offensteht.
Die Gruppe stellt ein Angebot für all diejenigen dar, die gern eine niedrigschwellige, datensparsame und zeitgemäße Kommunikationsmöglichkeit neben den anderen offiziellen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen möchten. Z. B. für den schnellen Austausch von Text- und Sprachnachrichten sowie anderer Mediendateien, die keine personenbezogenen Daten enthalten.
Der Beitritt und der Austritt können jederzeit freiwillig erfolgen.
Mir hat in der strapaziösen Zeit des vergangenen Schuljahres ein solcher inklusiver Kanal für informellen Austausch, der nicht über die Infrastruktur des Dienstherrn läuft, für die an der [$SCHULNAME] arbeitenden Menschen gefehlt.
Natürlich kann es sein, dass es dir gar nicht so ging oder dass du mit anderen Kommunikationsmöglichkeiten bereits rundum glücklich bist. In dem Falle kannst du mein Angebot getrost ignorieren.
Falls es dir aber ähnlich ergangen ist oder du einfach auch Lust auf verstärkte Vernetzung mit deinen Kolleg:innen hast, kannst du der [$SCHULNAME]-Signal-Gruppe gern beitreten, indem du den folgenden QR-Code mit deinem Smartphone scannst:
[QR-CODE-GRAFIK einfügen!]
Technische Voraussetzungen:
- Installaton der Signal-Messenger-App
- Registrierung per Handynummer
Hinweis: Nachdem du den QR-Code gescannt hast, erhält der Gruppenadmin eine Beitrittsanfrage. Die Bearbeitung erfolgt in aller Regel zeitnah!
Für eventuelle Fragen stehe ich euch jederzeit gern zur Verfügung!
Mit herzlichen und kollegialen Grüßen
[$GRUPPENERSTELLER]
Das gesamte Kollegium mobilisiert man so natürlich nicht. Aber wenn eine „kritische Masse“ sympathisch überzeugt werden konnte, kann so ein zusätzlicher, informeller Kommunikationsweg im Lehrkräftealltag wahres Gold wert sein!
- Beitragsbild: Google Playstore [Letzter Zugriff: 10.12.2023]
Ich habe schon bei den zwei Thesen Schwierigkeiten:
>Niederschwellige Kommunikationsmöglichkeiten können die Wahrscheinlichkeit von Kommunikationpraxis erhöhen.
>Kommunikation kann sich positiv auf soziale Beziehungen auswirken.
Kann und Können ist mir als These nicht ausreichend. Möglich ist immer alles. Mach ein „wird“ daraus oder ein „wird wahrscheinlich“ oder „unter bestimmten Bedingungen“, dann gehe ich mit. „Kann“ heißt einfach eine von 0 verschiedene Wahrscheinlichkeit. Und die reicht mir nicht, weil die unterstützende These „und wird sich nicht negativ auf soziale Beziehungen auswirken“ fehlt. Bei Douglas Adams löst der Babelfisch unzähige Kriege aus.
Dazu kommt, dass der Begriff Kommunikation zu viele Bedeutungen hat. Technisch ist alles, was über einen Kanal läuft, Kommunikation. Aber sinnvolle Kommunikation ist wieder etwas anderes. Viele Leute kommunizieren über X oder auch Mastodon, aber nicht immer sinnvoll. Unter Lehrkräften geht es in meiner Erfahrung oft darum, wer wem Arbeit anschafft. Das hätte ich gerne hochschwellig.
Die Anwendungsfälle oben… ein paar halte ich für realistisch, andere nicht; das kommt auf vieles an. Aber ja, manches geht. Die mangelnde Kooperation allerdings wird es nicht lösen. Im Gegenteil, da halte ich mehr persönliche Begegnungen für wichtig. Aber das mag von Fach zu Fach unterschiedlich sein. Für Frage-Antwort ist ein Messenger vielleicht gut, aber Sprachenlehrer machen gerne mehr Worte um eine Sache.
Zu bedenken: Gibt es bereits einen anderen, mittelschwelligeren Kommunikationskanal? Wenn ja, muss man ab jetzt zwei Kanäle bedienen oder fühlt sich ausgeschlossen. Denn das mit der Freiwilligkeit ist so eine Sache. Ich traue nicht allen zu, dass da nicht doch wichtige Sachen über den Freiwilligenkanal laufen.
Aber wer weiß, vielleicht irre ich mich. In BY testen wir das gerade, da gibt es einen niedrigschwelligen Messenger vom Ministerium für alle.
Die Vagheit der Thesen mutet unbefriedigend an. Sie ist aus meiner Sicht aber „der kleinste gemeinsame Nenner“.
Mir persönlich hatte vor dem Verfassen „eine von 0 verschiedene Wahrscheinlichkeit“ gereicht, weshalb ich mich eines „kann[s]“ bedient hatte. Dass die Kommunikation per Instant Messenger auch negative Auswirkungen haben kann, ist damit ebenfalls möglich. Etwas naiv von mir, dass ich auch sieben Jahre nach dem Ref noch daran glaube, dass Akademiker:innen sich im Wesentlichen mit positiven und konstruktiven Absichten austauschen wollen. Das gestehe ich zu. ^^
Am Ende steht oder fällt das Ganze durch die Menschen, die den Kanal nutzen. Persönlich halte ich es bereits für einen Gewinn, wenn durch diesen niederschwelligen Kanal persönliche Begegnungen leichter angebahnt werden könnten, bei denen Dinge dann ausführlicher face-to-face erörtert werden könnten. Unser Stundenplan ist in manchen Wochen aufgrund von Vertretungen so dynamisch, dass formelle Wege, wie bspw. E-Mails, ungeeignet erscheinen. Digitalen und persönlichen Austausch denke ich weniger getrennt voneinander, sondern eher konstruktiv miteinander. Wohl wissend, dass beide Arten in verschiedenen Domänen ganz unterschiedliche Potentiale haben. (z. B. Entscheidungen [digital] vs. Erörterungen/Diskussionen [persönlich])
Eine verantwortungsvolle Moderation halte ich in allen Fällen für geboten.
Weiterhin empfinde ich es als sinnvoll, wenn gerade keine Leitungspersonen diesen Kanal nutzen. Deren Inhalte sollten immer an alle adressiert sein, was „mein“ Gedankenexperiment gerade nicht vorsieht.
Ich bin sehr gespannt auf deine Erfahrungen mit dem Messenger in BY!